Die Erziehungswissenschaftlerin Susanne Viernickel befürchtet, dass das "Gute-Kita-Gesetz" für mehr Ungerechtigkeit bei der Kinderbetreuung sorgen könnte. Die Eckpunkte seien "so vage formuliert, dass das Geld weitgehend unkontrolliert fließen wird", sagte Viernickel im Interview der "Zeit" (Donnerstag). "Die Situation in den Ländern könnte dadurch sogar noch heterogener werden als bisher. Etwa wenn Bundesländer lieber in Beitragsfreiheit als ins Personal investieren, um sich damit zu brüsten." Derzeit gibt es große Unterschiede zwischen den Bundesländern bei der Anzahl an Kindern, die von einer Erzieherin betreut werden. In Ostdeutschland liegt das Verhältnis von Kind zu Betreuerin im Krippenbereich bei 1 zu 6, im Westen bei 1 zu 3,6. Viernickel, die als Professorin für frühkindliche Pädagogik in Leipzig lehrt, warnte: "Wenn bei dem 'Gute-Kita-Gesetz' nicht nachgebessert wird, verspielen wir eine historische Chance, für mehr Gerechtigkeit und bessere Bildung bei den Jüngsten zu sorgen." Im "Gute-Kita-Gesetz" sichert der Bund den Ländern 5,5 Milliarden Euro bis zum Jahr 2022 zu, um die Qualität in den Kitas zu verbessern. Der Gesetzentwurf wird derzeit von der Bundesregierung beraten und soll zum 1. Januar 2019 in Kraft treten.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) zeigt Verständnis für Verlustängste bei vielen Menschen. Diese fragten sich zum Beispiel, ob sie sich später noch ein gutes Leben leisten könnten, ob die Rente sicher sei oder welche Zukunft ihre Kinder hätten, sagte Giffey der "Welt" (Donnerstag): "Auch, dass in den letzten Jahren mehr Flüchtlinge ins Land gekommen sind, hat Verlustängste ausgelöst, überall in Deutschland. Darüber muss man reden dürfen, ohne in die rechte Ecke gestellt zu werden." Dabei müsse eines aber selbstverständlich und klar sein, ergänzte die Ministerin: "Es darf keine Angst im öffentlichen Raum geben, weder für die, die schon immer hier leben, noch für die, die neu gekommen sind." Der Staat müsse für Sicherheit und Ordnung sorgen. Straftäter müssten konsequent verfolgt und bestraft werden. Die Ministerin zeigte sich nach ihrem Besuch in Chemnitz beunruhigt von Berichten über eine fortschreitende Entpolitisierung der Gesellschaft. "In vielen Schulen und Vereinen wird überhaupt nicht mehr über Politik gesprochen. Die Mittel für die Jugendarbeit wurden in Sachsen jahrelang gekürzt, die Folgen davon sehen wir jetzt", so die Sozialdemokratin. Sie habe zudem aus vielen Gesprächen mit den Menschen vor Ort das Gefühl herausgehört, man sei nicht ebenbürtig, nicht gleich viel wert, man werde nicht wahrgenommen, "die da oben" hätten keine Ahnung von den Verhältnissen vor Ort, berichtete Giffey weiter: "Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass wir Räume eröffnen, in denen hochkochende Emotionen und Bedenken diskutiert werden können." Darüber hinaus sprach sich Giffey für ein Demokratiefördergesetz aus. Dieses müsse klar machen, dass es auch Aufgabe des Staates sei, "die demokratische Bildung junger Menschen auf allen Ebenen zu organisieren". (Familienbund der Katholiken/Sascha Nicolai/KNA)