Verbände üben weiterhin Kritik am geplanten Gesetz zur Unterstützung von Familien. Das sogenannte Starke-Familien-Gesetz wird am Donnerstag zum ersten Mal im Bundestag beraten. Der Familienbund der Katholiken begrüßte richtige Akzente, äußerte aber auch deutliche Vorbehalte: So gebe es beim Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder aus armen Familien einen großen bürokratischen Aufwand, an dem auch der Ausbau der Leistungen nichts ändere. Das Paket solle daher "besser heute als morgen durch mehr kostenfreie Leistungen für alle Familien ersetzt werden", forderte Familienbund-Präsident Ulrich Hoffmann am Mittwoch in Berlin. Er regte zudem erneut eine Reform des Kindergeldes an. Kindergeld und -zuschlag sollten zusammengeführt und Freibeträge unabhängig davon gewährt werden, schlug Hoffmann vor. "Für eine individuelle Förderung von Kindern aus armen Familien müssten überdies die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe unbürokratisch ausgebaut werden." Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter forderte ebenfalls Änderungen: "Der Kinderzuschlag muss konsequent für Alleinerziehende verbessert werden, damit diese nicht länger im Bermudadreieck von Unterhaltsvorschuss, Kinderzuschlag und Wohngeld verloren gehen", verlangte die Vorsitzende Erika Biehn. Die 100-Euro-Grenze für unberücksichtigtes Kindeseinkommen wie Unterhalt müsse entfallen. Die Union kündigte an, sich für weitere Vereinfachungen einzusetzen. Zudem wolle man, dass Kinder aus armen Familien künftig noch besser unterstützt würden, wenn sie in Vereinen aktiv sein wollten, sagte der familienpolitische Sprecher Marcus Weinberg (CDU). Die Vize-SPD-Fraktionschefin Katja Mast erklärte, man wolle den Teilhabebetrag für Freizeitangebote in Sport, Spiel, Kultur und Nachhilfe von heute zehn Euro monatlich erhöhen.
Verbände und Wissenschaftler sind mehrheitlich gegen ein sogenanntes Wechselmodell als Regelfall für Scheidungskinder. "Wenn der Gesetzgeber das Wechselmodell als Regelfall vorgibt, verhindert er damit die jeweils beste Lösung für das Kindeswohl im individuellen Einzelfall", erklärte etwa der Verband alleinerziehender Väter und Mütter aus Anlass einer Anhörung am Mittwoch im Bundestag. Deshalb sollten Eltern ihr Familienleben weiterhin autonom und individuell gestalten und sich für ein Betreuungsmodell entscheiden, welches den Bedürfnissen aller Beteiligten, aber vorrangig dem Wohl ihres individuellen Kindes Rechnung trage, so der Verband. Die FDP setzt sich für das sogenannte Wechselmodell ein, nach dem Kinder nach einer Trennung der Eltern abwechselnd zu gleichen Teilen bei beiden Elternteilen leben. Dieses solle der gesetzliche Regelfall sein. Dagegen hatten sich im vergangenen Jahr alle anderen Fraktionen ausgesprochen. Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen schrieb in seiner Stellungnahme, die Dominanz eines Modells könne es aus der Kinderperspektive nicht geben. Auch das Bundesverfassungsgericht sehe keine Pflicht des Gesetzgebers, eine paritätische Betreuung als Regel vorzugeben und eine abweichende gerichtliche Regelung als Ausnahme auszugestalten. Zugleich betonte der Verband, es bestehe aber gesetzgeberischer Reformbedarf, um ein Wechselmodell als eine Möglichkeit der gemeinsamen Erziehung festzulegen. Der Deutsche Juristinnenbund positionierte sich ebenfalls gegen eine Festschreibung des Wechselmodells als gesetzlichen Regelfall. Auch die Diakonie sprach sich gegen ein einheitliches Modell aus. "So vielfältig wie Familien sind, so individuell müssen die Lösungen sein, wenn sich Eltern nach Trennung oder Scheidung gemeinsam um ihre Kinder kümmern wollen", sagte das Vorstandsmitglied des evangelischen Wohlfahrtsverbands, Maria Loheide. Entscheidend sei, dass sich die Eltern einvernehmlich verständigten. "Ob die Kinder mal bei dem einen oder anderen Elternteil wohnen, muss dabei in der Eigenverantwortung der Eltern bleiben und darf nicht gesetzlich vorgeschrieben werden", betonte Loheide. Die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Betreuungsmodell müsse sich vor allem am Wohl der Kinder orientieren. Dagegen äußerten die Nürnberger Familienrechtlerin Hildegund Sünderhauf und der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV) Sympathien für den FDP-Antrag. Das Wechselmodell als Leitbild bedeute nicht "Wechselmodell für alle", schrieb Sünderhauf. Diese Möglichkeit solle nur vorrangig erwogen und geprüft werden. In vielen Fällen funktioniere es rein praktisch nicht, weil die Eltern zu weit auseinander wohnten. Der ISUV sieht in dem Vorstoß einen "Impuls für ein notwendiges Update des Familienrechts". Der Antrag hebe die Bedeutung beider Elternteile für die Identitätsfindung der Kinder hervor. Leitziel sei "getrennt, aber gemeinsam Erziehen". (Familienbund der Katholiken/Sascha Nicolai/KNA)