Vom sogenannten Teilhabepaket profitieren laut einer Studie nicht einmal 15 Prozent der leistungsberechtigten Kinder in Deutschland. Nach der am Dienstag in Berlin veröffentlichten Expertise der Paritätischen Forschungsstelle werden rund 85 Prozent der Schüler unter 15 Jahren im Hartz-IV-Bezug von den "soziokulturellen Teilhabeleistungen" nicht erreicht. Die Leistungen seien in ihrer Höhe unzureichend und in der bestehenden Form ungeeignet, um Kinderarmut zu bekämpfen, Teilhabe zu ermöglichen und Bildungsgerechtigkeit sicherzustellen, kritisiert der Verband. Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider forderte die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Angebote der Jugendarbeit im Kinder- und Jugendhilfegesetz und einer bedarfsgerechten, einkommensabhängigen Kindergrundsicherung. Die bisherigen Reformen seien "Stückwerk". Die kürzlich mit dem "Starke-Familien-Gesetz" in Kraft getretenen Verbesserungen seien allenfalls ein "Trostpflaster". Laut Studie gibt es deutliche regionale Unterschiede. Insgesamt sei aber in einem Großteil der Kommunen die durchschnittliche Quote bewilligter Anträge und festgestellter Ansprüche noch immer "niederschmetternd gering", so Schneider. Er verlangte von der Bundesregierung, sich "von dem verkorksten Bildungs- und Teilhabepaket endlich zu verabschieden". Der Verband begrüßte Ankündigungen des Bundesarbeitsministeriums, die Teilhabe-Gutscheine abschaffen zu wollen und durch eine pauschale Auszahlung von 15 Euro pro Monat zu ersetzen. Auch der Vorschlag des Verbandes nach Einführung eines Rechtsanspruchs auf Teilhabe werde von Seiten des Ministeriums inzwischen unterstützt. "Nur ein Rechtsanspruch sorgt dafür, dass auch wirklich entsprechende Angebote vorgehalten werden und jedes Kind, unabhängig von seinem Wohnort, bestmöglich in seiner Entwicklung gefördert wird", so Schneider. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, sagte, das Antragsverfahren sei so komplizierte, dass "viele Familien den Überblick darüber verloren haben, welche Zuschüsse ihnen zustehen". Die Bundesregierung nehme damit Kinderarmut billigend in Kauf. Sie verwies auf Forderung der Grünen nach einer Kindergrundsicherung. Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion Die Linke, Dietmar Bartsch, sprach von einem bürokratischen Monster. Das schreckt viele Anspruchsberechtigte ab. "Wer einmal den Antrag angeguckt hat, weiß: Das ist auch mit Hochschulabschluss schwer zu schaffen", so Bartsch. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach kritisierte die Grundkonstruktion des Programms. Nötig seien höhere Regelsätze für Kinder und Jugendliche, die auch die Ausgaben für Freizeitaktivitäten, Kultur und Sport abdeckten, sagte sie den Zeitungen der "Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft". Darüber hinaus forderte sie "einen Rechtsanspruch für Kinder auf soziale Teilhabe".
Mehr als die Hälfte aller bedürftigen Rentner beantragt offenbar keine staatliche Grundsicherung. Das geht aus einer noch unveröffentlichten Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor, über die der "Spiegel" (Samstag) berichtet. Demnach gibt es insgesamt deutlich mehr als eine Million Senioren, die Anspruch auf diese staatliche Unterstützung haben. Nach offiziellen Statistiken beziehen aber nur rund 566.000 Senioren die sogenannte Grundsicherung im Alter. Das DIW hat für seine Untersuchung Haushaltsbefragungen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) ausgewertet. Als Gründe für einen Verzicht auf einen Antrag gelten Scham oder Unwissenheit. Die Ökonomen stellten fest, dass Rentner umso eher auf einen Antrag verzichteten, je geringer der erwartete Betrag aus der Grundsicherung ausfalle, hieß es. DIW-Ökonom Johannes Geyer forderte, auf die Anrechnung von Vermögen zu verzichten und stattdessen nur die Einkommen eines Haushalts zu überprüfen. Der Aufwand wäre damit gering. "Das könnte auch die Rentenversicherung machen, sogar automatisiert", sagte Geyer. "Damit könnte man das Stigma lindern." (Familienbund der Katholiken/Sascha Nicolai/KNA)