Presseschau des Tages // 20.8.2020

· Presseschau

Die Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger sollen angepasst werden. Einen entsprechenden Gesetzentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium beschloss das Kabinett am Mittwoch in Berlin. Für Alleinstehende ist demnach ein Anstieg um 7 auf 439 Euro geplant, für Partner um 6 Euro auf 395 Euro. Deutlichere Zuschläge soll es für Kinder von 14 bis 17 Jahren und für Kinder bis 5 Jahre geben. Hier sind 39 Euro beziehungsweise 28 Euro mehr vorgesehen. Künftig sollen zudem Verbrauchsausgaben, etwa für Handys und Mobilfunkverträge, stärker berücksichtigt werden.

Caritas und Diakonie zeigten sich unzufrieden mit dem Gesetzentwurf. "Wo Existenzminimum draufsteht, muss auch Existenzminimum drin sein", forderte Caritas-Vorstand Eva M. Welskop-Deffaa. Die Berechnungsmethode müsse sicherstellen, dass die Höhe des Regelbedarfs armutsfest bemessen werde. Gerade bei Strom und Warmwasser zahlten mehr als zwei Drittel der Haushalte bislang drauf. Auch die Diakonie Deutschland kritisierte den Gesetzentwurf als unzureichend und sprach sich für deutliche Nachbesserungen aus. Die ermittelten Regelsätze machten eine umfassende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht möglich. "Es braucht nicht nur einen Aufschlag von monatlich 100 Euro, der zusätzliche Ausgaben aufgrund der Corona-Pandemie ausgleicht, sondern eine grundsätzliche Erhöhung", sagte Diakonie-Sozialvorstand Maria Loheide.

Der Sozialverband VdK reagiert mit Unverständnis auf die neuen Zahlen. VdK-Präsidentin Verena Bentele sagte: "Sieben Euro reichen hinten und vorne nicht. Das sind gerade mal 23 Cent am Tag, die die Menschen mehr in der Tasche haben. Armut bekämpfen wir damit ganz sicher nicht." Die Bedarfshöhen seien nicht realitätsgerecht. Auch die Nationale Armutskonferenz zeigte sich enttäuscht. Leider sehe das vorliegende Gesetz keine nennenswerten Verbesserungen für die über sieben Millionen Bezieher vor, sagte der Sprecher der Armutskonferenz, Gerwin Stöcken. Stattdessen werde die lang und breit kritisierte Berechnungspraxis weitestgehend fortgeführt und darüber hinaus auch wieder der Rotstift angesetzt.

Aus Sicht der AWO sollte noch einmal kritisch überprüft werden, welche nachträglich vorgenommenen Streichungen am Regelbedarf als bedarfsrelevant berücksichtigt werden sollten. Das Bundesarbeitsministerium wies die Vorwürfe der Sozialverbände als nicht neu und nicht gerechtfertigt zurück. Die Regelsätze seien mehrfach überprüft worden und sicherten das soziokulturelle Existenzminimum. Mit dem Vorliegen einer neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe muss der Gesetzgeber die Höhe der Regelbedarfe neu ermitteln sowie für das Asylbewerberleistungsgesetz die Höhe der Geldleistungen neu festsetzen. Eine Zustimmung von Bundestag und Bundesrat steht noch aus, damit das Gesetz zum 1. Januar 2021 in Kraft treten kann.

 

Die FDP hat ihr Konzept für einen radikalen Umbau aller familienbezogenen Leistungen weiter ausgearbeitet. Anstelle von Kindergeld, Kinderzuschlag oder dem sogenannten Bildungs- und Teilhabepaket wollen die Liberalen ein "Kinderchancengeld" einführen. Dabei soll es einen Grundbetrag von monatlich 200 Euro je Kind geben, wie der familienpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Grigorios Aggelidis, am Mittwoch in Berlin erklärte. Hinzu käme ein flexibler einkommensabhängiger Betrag von bis zu 200 Euro, sowie ein sogenanntes Chancenpaket von bis zu 50 Euro pro Monat. Zudem solle das sogenannte Schulstarterpaket von 150 Euro auf 240 Euro steigen.

Ziel sei eine zielgenaue Förderung und Bündelung der bisherigen Leistungen, sagte Aggelidis. Man müsse "weg vom Gießkannenförderprinzip" und ein Aufstiegsversprechen für alle Kinder einlösen. Das FDP-Konzept verbessere vor allem die Situation von Kindern, die aufgrund ihres Milieus deutlich mehr Unterstützung benötigten. "Mit dem Kinderchancengeld bekommen tatsächlich alle Kinder die Möglichkeit, sich bestmöglich nach ihren Talenten und Vorstellungen zu entwickeln." Dies stelle die Familienpolitik "vom Kopf auf die Füße", meinte der FDP-Politiker.

Nach Berechnungen des RWI - Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung bekämen Familien im Hartz-IV-Bezug mit dem FDP-Konzept bis zu 600 Euro mehr im Jahr als bislang. Vom Grund- und und dem Flex-Betrag würden sie dabei zwar nicht profitieren, aber vom Chancenpaket. Bei einem Haushaltsjahreseinkommen von 40.000 Euro brutto entstünde ein Plus von 1.273 Euro im Jahr. Bei 80.000 Euro Jahreseinkommen würde sich gegenüber den aktuellen Regelungen nichts ändern. Je nach Inanspruchnahme des Chancenpakets entstünden jährliche Mehrkosten von drei bis vier Milliarden Euro.

Neben der finanziellen Leistung solle es auch ein Online-Portal geben, dass die staatlichen Angebote zusammenfasse und leichter verfügbar mache, erläuterte Aggelidis weiter. Grundvoraussetzung dafür sei, dass alle Kinder über entsprechende Zugänge verfügten. Dafür reiche zum Beispiel ein Smartphone aus. (Familienbund der Katholiken/Sascha Nicolai/KNA)