Über sechs Millionen Menschen in Deutschland werden ab Oktober einen Mindestlohn von zwölf Euro pro Stunde verdienen. Das hat der Bundestag in Berlin am Freitag beschlossen. Vor allem für viele Frauen und viele Beschäftigte in Ostdeutschland sei dies mit 22 Prozent "möglicherweise der größte Lohnsprung in ihrem Leben", sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Der Minister begründete den Beschluss auch mit den Worten: "Es gilt in diesen schwierigen Zeiten unserer Gesellschaft zusammenzuhalten."
Wer bisher auf Basis des Mindestlohns brutto 1.700 Euro im Monat verdient habe, werde künftig 2.100 Euro erhalten, führte Heil weiter aus. Unabhängig von der nun beschlossenen Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro ab dem 1. Oktober steigt der Mindestlohn von aktuell 9,82 Euro pro Stunde zum 1. Juli auf 10,45 Euro.
In Deutschland war 2015 erstmals eine gesetzliche Lohnuntergrenze in Kraft getreten. Die nun vorgesehene Anhebung auf zwölf Euro als Lohnuntergrenze entspricht den Angaben zufolge fast 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland. Mit der neuen Mindestlohnerhöhung wird auch die Geringfügigkeitsgrenze auf zehn Stunden Wochenarbeitszeit und somit 520 Euro monatlich erhöht.
Aktuell liegt die Geringfügigkeitsgrenze bei 450 Euro pro Monat. Die Linksfraktion kritisierte besonders diesen Punkt und warf der Ampelregierung damit eine Ausweitung der Minijobs vor. Minijobs stünden sinnbildlich für prekäre und nicht existenzsichernde Arbeit. "Minijobs bleiben arbeitsmarktpolitisch und gleichstellungspolitisch ein völliger Irrweg", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Susanne Ferschl (Linke). Sie forderte, dass die Einhaltung des Mindestlohns künftig strenger kontrolliert werde.
Die CDU kritisierte die aktuelle Erhöhung des Mindestlohns als Eingriff in die Tarifautonomie. Löhne sollten nicht politisiert werden, betonte Ottilie Klein (CDU): "Der staatliche Eingriff in die Tarifautonomie sollte einmalig sein", forderte sie. Die Fraktion von CDU und CSU stimmte der Mindestlohnerhöhung nicht zu und enthielt sich bei der Abstimmung ebenso wie die AfD.
Bundesarbeitsminister Heil kündigte vor dem Bundestag zudem weitere soziale Reformen an wie die geplante Einführung des Bürgergeldes zum 1. Januar 2023, mit dem das Hartz-IV-System abgeschafft werden soll, sowie eine langfristige Stabilisierung der Renten für künftige Generationen. Außerdem werde der Bund künftig nur noch Aufträge an Unternehmen erteilen, die nach Tarif bezahlen. "Es geht nicht nur um sozialen Ausgleich, sondern um sozialen Fortschritt in Deutschland", sagte Heil. (KNA)