Berlin, den 6. September 2019 – „Drei Viertel der Pflegebedürftigen in Deutschland werden allein oder mehrheitlich durch Angehörige zu Hause versorgt. Damit sind Familien mit Abstand die Pflege-dienstleister Nummer 1“, sagte Familienbund-Präsident Ulrich Hoffmann heute in Berlin anlässlich des „Aktionstages Pflegende Angehörige“ am kommenden Sonntag (8.9.). Ein Großteil der Pflege in Deutschland laste laut aktueller Statistik auf den Schultern von Familienangehörigen: Von den 2,59 Millionen zu Hause versorgten Patienten seien zuletzt 1,76 Millionen ausschließlich von Angehörigen betreut worden. „Ich rufe die Bundesregierung auf, rasch ein Familienpflegegeld in Anlehnung an das 2007 eingeführte Elterngeld umzusetzen. Das ist eine wichtige Komponente, um den unübersehbaren Pflegenotstand in Deutschland in den Griff zu bekommen, neben dem ebenfalls nötigen Ausbau der professionellen Pflege.“
„Ein Gesetz zur Einführung eines Familienpflegegeldes würde sowohl dazu beitragen, die Lage von Menschen zu verbessern, die Angehörige pflegen als auch die Lage von Pflegebedürftigen selbst“, sagte Hoffmann weiter. „Ich bin überzeugt: Wenn die Politik Menschen neben der Zeit auch eine monatliche finanzielle Absicherung bietet, wird künftig mehr und bessere häusliche Pflege durch Angehörige möglich sein. Wir müssen diesen Menschen weitaus umfassender und lebensgerechter helfen als bisher. Zinslose Darlehen – wie bisher – haben sich als Flop erwiesen. Gerade einmal 867 Anträge wurden bislang seit der Einführung des Darlehens bewilligt. Die Sorge sich zu verschulden, schreckt eher ab als dass sie sinnvolle Anreize bietet.“
„Sorgearbeit muss gleichermaßen anerkannt werden, wie für Kinder so auch für ältere Menschen“, sagte Hoffmann. „Dabei muss Familien die Wahl des von ihnen bevorzugten Pflegemodells ermöglicht werden. Voraussetzung dafür ist eine gut ausgebaute Pflegeinfrastruktur und eine fair honorierte familiäre Pflegesituation.“
„Weiter deutlich wachsende Zahl pflegebedürftiger Menschen: sozialpolitische Zukunftsfrage unserer Gesellschaft“
Hoffmann betonte: „Bis heute gibt es für Menschen, die Angehörige zu Hause pflegen, keine monatliche Sozialleistung. Dabei gehört die weiter deutlich wachsende Zahl pflegebedürftiger älterer Menschen zu den sozialpolitischen Zukunftsfragen unserer Gesellschaft. Die Politik muss insbesondere auch da ansetzen, wo stabile familiäre Strukturen Pflege mit menschlicher Nähe und Geborgenheit ermöglichen, jenseits kostenintensiver kommerzieller Systeme.“
Union und SPD hätten zwar 2015 die sogenannte Familienpflegezeit eingeführt. Sie gebe pflegenden Angehörigen gegenüber ihrem Arbeitgeber das Recht, ihre Beschäftigung bis zu zwei Jahre auf eine Mindestarbeitszeit von 15 Stunden zu reduzieren. Außerdem erhielten sie verschärften Kündigungsschutz sowie das Recht auf ein zinsloses Darlehen vom Staat. Ein monatliches Familienpflegegeld fehle aber bislang, sagte Hoffmann. Es müsse sich wie das Elterngeld an der Höhe des bisherigen Einkommens der Pflegenden orientieren, um den bisherigen Lebensstandard halbwegs halten zu können.