Einsamkeit ist nach Ansicht von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) ein unterschätztes Phänomen, das langfristig auch der Demokratie schaden kann. "Wer Vertrauen in die Gesellschaft verliert, verliert auch Vertrauen in die Demokratie, politische Teilhabe nimmt ab, genauso wie die Bereitschaft wählen zu gehen", sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag) vor dem Start der Aktionswoche gegen Einsamkeit.
Einsamkeit sei nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO genauso schädlich wie Fettleibigkeit, Rauchen und Luftverschmutzung, fügte Paus hinzu. Und gerade jüngere Menschen fühlten sich seit der Corona-Pandemie überdurchschnittlich oft einsam: "Das verdient endlich Aufmerksamkeit. Einsamkeit, auch die der Jugend, müssen wir ernst nehmen und handeln."
Laut einer neuen Umfrage fühlt sich in Deutschland fast jeder zweite junge Mensch einsam. In einer am Montag in Gütersloh veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung bezeichneten sich 11 Prozent der Befragten zwischen 16 und 30 als "stark einsam", 35 Prozent als "moderat einsam".
Zwischen 19 und 22 Jahren sei die Einsamkeit am stärksten ausgeprägt. Besonders einsam fühlen sich laut der Studie junge Menschen, die geschieden oder verwitwet sind, arbeitslos sind, einen niedrigen Schulabschluss haben, in mittelgroßen Städten leben oder einen Migrationshintergrund haben.
Die Werte liegen den Angaben zufolge weiter deutlich über jenen der Vor-Corona-Zeit und scheinen auch nachhaltig so zu bleiben. Der Anstieg könne zudem nicht allein durch Kontaktbeschränkungen der Pandemie erklärt werden.
Einfluss könnten auch veränderte Kommunikations- und Umgangsformen haben sowie ein "allgemeiner Krisenmodus". Auch könne es eine Rolle spielen, dass Arbeitsstellen und Beziehungen häufiger als früher gewechselt würden. Zudem gebe es Anzeichen dafür, dass die Anzahl der Kontakte inzwischen wieder als ausreichend empfunden werde - deren Qualität jedoch nicht.
Einsamkeit sei keine Krankheit, könne aber krank machen, fügte Paus hinzu. Im Rahmen einer neuen Einsamkeitsstrategie will die Ministerin mehr dagegen tun, wie sie auch im ARD-Morgenmagazin ankündigte. Geplant seien 111 konkrete Maßnahmen, unter anderem sollten Ursachen und Folgen von Einsamkeit stärker untersucht werden.
Am heutigen Montag eröffnet die Ministerin eine Aktionswoche gegen Einsamkeit. In deren Rahmen gebe es beispielhafte Aktionen wie etwa gemeinsames Waffelbacken oder Telefonfreundschaften: "Und ich lade ein, sich mit genau solchen kleinen, aber wichtigen Aktionen vor Ort zu beteiligen."
Kein Mensch müsse sich schämen, weil er sich einsam fühlt, ergänzte die Ministerin: "Wir wollen das Thema aus der Tabu-Ecke holen." Ihr Ministerium werde insgesamt 70 Millionen Euro für den Kampf gegen "eines der drängendsten Probleme unserer Zeit" zur Verfügung stellen, ergänzte Paus in der ARD. Hinzu kämen Gelder und Aktionen aus anderen Ministerien. Angesichts der Dimension des Problems müsse man bei den Haushaltsberatungen aber auch darüber nachdenken, ob nicht noch mehr Geld dafür nötig sei. (KNA)