Die Bundesregierung hat ihren umstrittenen Vorschlag für eine Grundgesetzänderung zu Kinderrechten auf den Weg gebracht. Die Koalition aus Union und SPD verfügt allein allerdings nicht über die für eine Änderung nötige Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Die Grünen, denen der Vorschlag nicht weit genug geht, hatten bereits ihre Bereitschaft zu Verhandlungen signalisiert. Auch Kinderrechtsorganisationen fordern eine deutlichere Regelung. Andere Kritiker halten das ganze Vorhaben indes für überflüssig, da aus ihrer Sicht die Kinderrechte bereits ausreichend berücksichtigt sind.
Die Koalition will die Kinderrechte unter anderem mit folgender Formulierung in Artikel 6 des Grundgesetzes verankern: "Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt." Union und SPD hatten sich nach langem Ringen auf diesen Kompromiss verständigt.
"Der Schutz der Kinderrechte muss ein Leitbild für unsere Gesellschaft sein", sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). Kinder seien "keine kleinen Erwachsenen". Sie seien "besonders schutzbedürftig und haben besondere Bedürfnisse". Dies solle jetzt auch ausdrücklich im Grundgesetz anerkannt werden.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) ergänzte, Kinder seien eigenständige Persönlichkeiten mit eigenen Rechten. "Es ist wichtig, dass wir dafür das gesellschaftliche Bewusstsein schärfen und die Rechte der Kinder überall sichtbarer machen - vor allem endlich auch im Grundgesetz, unserem Wertekompass."
Der FDP-Fraktionsvize im Bundestag, Stephan Thomae, sagte, zwar klaffe im Grundgesetz keine Schutzlücke zulasten von Kindern, doch verschließe man sich einer ausdrücklichen Verankerung von Kinderrechten nicht. "Für uns ist zentral, dass die Elternverantwortung nicht durch einen starken Staat ersetzt wird, der den Familien eine 'richtige' Erziehung vorgibt." Thomae forderte unter anderem Anpassungen beim Grad der Berücksichtigung des Kindeswohls und beim Diskriminierungsverbot unehelicher Kinder.
Der kinderpolitische Sprecher der Linksfraktion, Norbert Müller, kritisierte, der Vorschlag bringe "keinerlei Verbesserungen für Kinder und fällt hinter bestehende internationale, europäische und selbst deutsche Standards zurück".
Befürworter einer ausdrücklichen Aufnahme der Rechte von Kindern im Grundgesetz stören sich beim Koalitionskompromiss insbesondere an dem Wort "angemessen". Sie fordern mit Verweis auf die UN-Kinderrechtskonvention eine "vorrangige" Berücksichtigung. Auch verlangen sie mehr Beteiligungsrechte.
Gegner der Grundgesetzänderung führen hingegen die Sorge an, dass es zu Eingriffen des Staates in die familiäre Selbstbestimmung kommen könnte oder das Elternrecht geschwächt werde. Aus Sicht der Koalition bleiben bei ihrem Entwurf das Verhältnis von Eltern und Staat unberührt und die Rechte und Pflichten der Eltern bestehen. (KNA)