Das Ehegattensplitting ist immer wieder Gegenstand politischer Kontroversen. Von seiner Übertragung auf eingetragene Lebenspartnerschaften über die Umwandlung in ein Familiensplitting bis hin zu einer gänzlichen Abschaffung reicht das Spektrum aktueller Forderungen. Zugleich ist die genaue Funktionsweise des Ehegattensplittings einer Allensbach-Studie zufolge nur etwa einem Viertel der Gesamtbevölkerung gut bekannt.[2] Der Familienbund der Katholiken möchte mit der vorliegenden Fachinformation aufklären und informieren und damit einen Beitrag für eine Versachlichung der Debatten leisten.[3]
1.) Wie funktioniert das Ehegattensplitting?
Das deutsche Steuerrecht bietet den Ehegatten die Möglichkeit der Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer an. Entscheiden sich die Ehegatten dafür[4], wird ihre Steuerschuld ermittelt, indem ihre Einkünfte zunächst addiert und dann jeweils hälftig zugerechnet werden. Unabhängig davon, welcher Partner welches Einkommen tatsächlich erzielt, werden beide so gestellt, als ob sie jeweils die Hälfte des gemeinsamen Einkommens erwirtschaftet haben. Jeder versteuert sodann „seine Hälfte“ des gemeinsamen Einkommens. Durch die Addition der Steuerschuld von Frau und Mann ergibt sich schließlich die gemeinsame Steuerschuld des Paares.
2.) Weshalb gibt es das Ehegattensplitting?
Das deutsche Einkommensteuersystem ist durch einen progressiven Steuertarif gekennzeichnet. Der Steuersatz steigt mit der Höhe des Einkommens an. In den ersten Jahren der Bundesrepublik Deutschland wurden Ehepaare steuerlich veranlagt, indem die Einkünfte der Ehepartner addiert und das Gesamteinkommen versteuert wurde. Aufgrund des progressiven Steuertarifs waren verheiratete Paare schlechter gestellt als unverheiratete Paare, die keiner gemeinsamen Veranlagung unterlagen. Diese Diskriminierung der Ehe wurde vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Daraufhin hat der Gesetzgeber 1958 das Ehegattensplitting eingeführt.
Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt bestätigt, dass das Ehegattensplitting eine sachgerechte Besteuerung der Ehe gewährleistet.[5] Die Ehe ist eine der Absicht nach auf Lebenszeit angelegte rechtlich verbindliche Gemeinschaft gegenseitiger Verantwortungsübernahme von Mann und Frau. Das Gericht geht von dem Leitbild der Ehe als einer umfassenden Erwerbs-, Wirtschafts- und Verbrauchsgemeinschaft aus. Bildlich gesprochen geben die Eheleute das oder die Einkommen in einen gemeinsamen Topf und wirtschaften daraus in gleichberechtigter Teilhabe.
Das Ehegattensplitting stellt sicher, dass die eheliche Wirtschafts- und Verbrauchsgemeinschaft bei einer bestimmten Höhe des gemeinsamen Einkommens immer gleich besteuert wird. Ohne Ehegattensplitting würden Ehepaare mit gleichen Gesamteinkommen ungleich besteuert – je nachdem, wie die Einkommensanteile auf die Partner verteilt sind. Benachteiligt wären Ehepaare mit unterschiedlich hohen Einkommen von Frau und Mann. Sie würden mehr Steuern zahlen müssen als Paare mit gleichen Einkommensanteilen.
Die Benachteiligung resultiert aus dem progressiven Steuertarif. Bei unterschiedlich hohen Einkommen unterliegt das höhere Einkommen in der Regel einem höheren Steuersatz als das niedrigere Einkommen. Das betreffende Paar müsste damit für den überwiegenden Einkommensanteil einen im Verhältnis hohen Steuertarif hinnehmen. Bei gleichmäßig verteilten Einkommensanteilen kommt es dagegen nicht zum „Aufstieg“ in der Steuerprogression.
Aus dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 1 GG) ergibt sich das Gebot steuerlicher Gleichbehandlung bei gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit.[6] Dieses Gebot ist grundlegend für die Gewährleistung von Steuergerechtigkeit. Folglich müssen Ehen bei gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit gleich besteuert werden.
Die Ehe als Gemeinschaft verbindlicher und umfassender wechselseitiger Verantwortungsübernahme entlastet den Staat in vielfältiger Weise. Deshalb steht sie „unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“ (Art. 6 Abs. 1 GG). Daraus folgt eine grundsätzliche Wahlfreiheit der Ehepartner zur Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse.[7] Der Gesetzgeber hat zu vermeiden, bestimmte Aufgabenverteilungen in der Ehe durch unterschiedlich hohe Steuerlasten zu bevorzugen oder zu erschweren.[8]
Mit dem Ehegattensplitting wird die verfassungsrechtlich geforderte steuerliche Gleichbehandlung aller Ehen erreicht. Es ist ein notwendiger Reflex auf unser Steuersystem, das ohne Ehegattensplitting zu einer Benachteiligung vieler Ehen führen würde.
3.) Ist es sachgerecht, Ehen im Steuerrecht als Gemeinschaft zu behandeln?
Das Ehegattensplitting folgt dem Leitbild der Ehe als einer umfassenden Erwerbs-, Wirtschafts- und Verbrauchsgemeinschaft. Dieses Leitbild[9] entspricht nicht nur dem Selbstverständnis und der wirtschaftlichen Realität der „intakten Durchschnittsehe“.[10] Auch die Wertungen des Familienrechts stimmen damit überein.
In der Ehe verpflichten sich die Eheleute zu gegenseitigem Beistand und Unterhalt. Geschäfte zur Deckung des ehelichen Lebensbedarfs werden mit Wirkung füreinander vorgenommen.[11] Die Ehe entfaltet auch Unterhaltspflichten, die über ihren Bestand hinausreichen. Nach dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft haben beide Ehegatten gleichermaßen Anspruch auf den Vermögenszuwachs, der während der Dauer der Ehe erfolgt. Mit dem Versorgungsausgleich ist die interne Teilung von während der Ehezeit erworbenen Anwartschaften auf Altersvorsorge vorgesehen.
Es existieren Überlegungen, wie dem Leitbild einer umfassenden Erwerbs-, Wirtschafts- und Verbrauchsgemeinschaft im Familienrecht noch mehr als bisher entsprochen werden kann. Der Familienbund regt auf der Grundlage des Rentenmodells der katholischen Verbände ein Renten-Splitting an, welches die in der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften beiden Partnern von vornherein zu gleichen Anteilen zuweist.[12] Im Hinblick auf den Güterstand gibt es Vorschläge, Ehepaaren zu erleichtern, das in der Ehe gemeinsam Erwirtschaftete auch zu gemeinsamem Vermögen werden zu lassen (Errungenschaftsgemeinschaft).[13] Demgegenüber wird nach derzeitiger Rechtslage der Ausgleich von Vermögenszuwachs und Rentenanwartschaften grundsätzlich erst bei der Auflösung der Gemeinschaft realisiert.
4.) Werden nichteheliche Lebensgemeinschaften und Alleinerziehende benachteiligt?
Das Ehegattensplitting gelangt bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften und alleinerziehenden Eltern nicht zur Anwendung. Eine auf rechtlicher Verbindlichkeit beruhende umfassende Gemeinschaft mit einem Partner liegt nicht vor, so dass steuerlich an das Individuum anzuknüpfen ist.[14]
Wie die Situation Alleinerziehender oder nichtehelicher Lebensgemeinschaften mit Kindern verbessert werden kann, ist eine losgelöst vom Ehegattensplitting zu beantwortende Frage. Das Ehegattensplitting will und kann „nur“ ein Instrument der steuerlichen Gleichbehandlung von Ehen sein.
5.) Werden mit dem Ehegattensplitting einseitig Alleinverdiener-Ehen gefördert?
Das Splitting wirkt immer dann, wenn die Einkommen der Ehegatten unterschiedlich hoch sind. Sofern Einkünfte nicht in gleichem Umfang erzielt werden, kommt es mithin auch bei beiderseitiger Erwerbstätigkeit der Partner zum Tragen. Diese Fälle können z.B. aus der Teilzeitbeschäftigung eines Partners oder aus der unterschiedlichen Höhe der Entlohnung in verschiedenen Branchen, Betrieben und Karrierestufen resultieren.[15]
Je höher die Einkommensdifferenz innerhalb der Ehe ist, desto stärker ist der Splittingeffekt. Damit wirkt das Ehegattensplitting in besonderem Maße bei Alleinverdiener-Ehen. Diese Wirkung ist allerdings dadurch begründet, dass Alleinverdiener-Ehen durch das progressive Steuersystem am meisten benachteiligt sind. Das gleiche eheliche Gesamteinkommen vorausgesetzt müssten sie ohne Splitting bedeutend mehr Einkommensteuer zahlen als Paare, bei denen die Einkünfte hälftig verteilt sind. Lediglich dieser Nachteil wird durch das Ehegattensplitting ausgeglichen.
Das Ehegattensplitting ist ein Nachteilsausgleich, der die gleichmäßige Besteuerung aller Ehepaare sicherstellt. Alleinverdiener-Ehen werden nicht besser gestellt als andere Ehepaare. Ein Splittingvorteil existiert schlicht nicht.
Aus der Funktion des Splittings als steuerlichem Nachteilsausgleich folgt auch, dass diesbezüglich nicht von „Eheförderung“ gesprochen werden kann. Eheförderung setzt voraus, dass sich der Staat über verfassungsrechtliche Vorgaben hinaus spezifisch für die Lebensform der Ehe engagiert. Das Ehegattensplitting wurzelt in dem Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Dieses Gebot gilt in Bezug auf alle Steuerpflichtigen und ist im allgemeinen Gleichheitssatz unserer Verfassung verankert.[16]
6.) Werden mit dem Ehegattensplitting negative Erwerbsanreize gesetzt?
Wie dargestellt fördert das Ehegattensplitting nicht Alleinverdiener-Ehen, sondern verhindert lediglich eine steuerliche Benachteiligung. Die Erziehung von Kindern, die Pflege von Angehörigen, Haushaltsführung, Krankheit oder Behinderung, Arbeitslosigkeit, Studium oder Weiterbildung, bürgerschaftliches Engagement, Freizeitpräferenzen und andere Gründe können ursächlich dafür sein, dass einer der Ehepartner nur eingeschränkt oder nicht erwerbstätig ist.
Ausgehend von der ökonomischen Vernunft geht es Steuerpflichtigen darum, das verfügbare Einkommen unter Berücksichtigung der eigenen Lebenssituation möglichst zu steigern – und nicht um die „Mitnahme“ eines Ausgleichs für eine ansonsten nachteilige Situation. Die stetige Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit zeigt, dass das Ehegattensplitting keine gravierenden Negativanreize für die Erwerbsbeteiligung von Frauen setzt.
Nach einer Studie des DIW aus dem Jahr 2011 hätte der Übergang vom Ehegattensplitting zu einer Individualbesteuerung mit Unterhaltsabzug, wie sie für geschiedene Eheleute gilt („begrenztes Realsplitting“), „sehr geringe Auswirkungen auf die Erwerbsanreize“. Es wären „keine nennenswerten Arbeitsangebotseffekte zu erwarten“.[17]
Barrieren für die Erwerbsbeteiligung von Müttern sind primär im Fehlen familienfreundlicher Arbeitsplätze und einer qualitativ hochwertigen Betreuungsinfrastruktur sowie in der strukturellen Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt (Niedriglöhne in frauenspezifischen Branchen und Berufen) begründet.
Exkurs Lohnsteuerklassen
Die Kritik am Ehegattensplitting richtet sich in der Sache wohl meist gegen die Umsetzung in den Lohnsteuerklassen III und V. Entscheiden sich die Ehepartner bei ungleichen Einkommen für die Lohnsteuerklassen III/V, kann das monatliche Nettoeinkommen des Paares im Vergleich zu der Kombination IV/IV gesteigert werden. Allerdings erfolgt im Rahmen der Ermittlung der Jahressteuerschuld eine Bereinigung, so dass im Ergebnis die Besteuerung unabhängig von den gewählten Lohnsteuerklassen ist. Zu wenig entrichtete Steuer muss nachgezahlt werden.
Gleichwohl hat die Kombination III/V den Effekt, dass das monatliche Nettoeinkommen beim weniger verdienenden Partner (mit Steuerklasse V) unterdurchschnittlich gering ausfallen kann. Ansprüche auf Lohnersatzleistungen, die an den Nettolohn anknüpfen, werden gemindert. Dadurch kann der Eindruck entstehen, die Erwerbsarbeit lohne sich kaum.
Der Gesetzgeber hat mit dem seit 2010 geltenden optionalen Faktorverfahren versucht, Abhilfe zu schaffen. Ehegatten können nun eine Besteuerung gemäß ihres Anteils am gemeinsamen Einkommen wählen. Wer zum Beispiel 20 Prozent zum gemeinsamen Einkommen beiträgt, braucht auch nur 20 Prozent der gemeinsamen Lohnsteuer zahlen.
Probleme bei den Lohnsteuerklassen sind auch bei den Lohnsteuerklassen zu beheben. Das Ehegattensplitting als Instrument des Einkommensteuerrechts ist davon nicht in Frage gestellt.
7.) Setzen das Ehegattensplitting und das Unterhaltsrecht nicht unterschiedliche Signale für die wirtschaftliche Eigenverantwortung der Partner?
Das seit 2008 geltende neue Unterhaltsrecht betont die wirtschaftliche Eigenverantwortung der Partner nach einer Scheidung. Die nacheheliche Solidarität wurde erheblich eingeschränkt. Dem Ehegattensplitting wird mitunter vorgehalten, Anreize gegen die wirtschaftliche Selbständigkeit beider Partner während der Ehe zu setzen. Im Scheidungsfall wird die wirtschaftliche Selbständigkeit nun aber geradezu verlangt.
Wie dargestellt fördert das Ehegattensplitting Alleinverdiener-Ehen nicht, sondern sorgt lediglich dafür, dass sie steuerlich nicht benachteiligt werden. Damit verbunden ist der Gedanke, dass die Partner die Möglichkeit haben sollen, ohne Benachteiligung darüber zu entscheiden, wie das Erwerbseinkommen in der Ehe erbracht wird. Der Gesetzgeber ist gefordert, in der Ehe geschaffene Vertrauenstatbestände besser im Unterhaltsrecht abzubilden. Verwerfungen, wie sie sich bei der aktuellen Regelung des nachehelichen Unterhalts meist zulasten von Frauen zeigen, sind zu beseitigen.[18] Notwendig ist u.a. ein rechtlicher Rahmen, der die Wirksamkeit unterhaltsverstärkender Vereinbarungen garantiert.
8.) Ist es gerecht, dass das Ehegattensplitting auch bei kinderlosen Ehepaaren wirkt?
Das Ehegattensplitting sichert die steuerliche Gleichbehandlung aller Ehepaare. Auch Ehepaare ohne Kinder haben einen Anspruch auf gerechte Besteuerung. Das Ehegattensplitting ist keine „Familienförderung“ im eigentlichen Sinne.
Faktisch wirkt es gleichwohl bei Familien mit Kindern. Da kinderlose Ehepartner zumeist beide erwerbstätig sind, ist der Splittingeffekt bei ihnen in der Regel nicht sehr bedeutsam. 90 Prozent des gesamten Splittingvolumens entfällt auf Ehepaare, die Kinder erziehen oder erzogen haben.[19] Unterstellt eine Aufhebung des Ehegattensplittings wäre überhaupt möglich, würde sie in erster Linie Familien treffen.
9.) Muss in der deutschen Politik nicht eher mehr für Familien mit Kindern getan werden?
Familien müssen steuerlich besser entlastet und finanziell mehr gefördert werden. Der Familienbund fordert einen Kinderfreibetrag von 8.000 Euro/Jahr sowie ein Kindergeld von 300 Euro monatlich.[20] Entlastung und Förderung von Familien können indes nicht durch die Verweigerung von Steuergerechtigkeit an anderer Stelle erkauft werden. Ehepaare als verbindliche Gemeinschaften wechselseitiger Verantwortungsübernahme haben – ob mit oder ohne Kinder – einen Anspruch auf sachgerechte Besteuerung. Verbesserungen für Familien mit Kindern müssen zusätzlich erfolgen.
10.) Bewirkt das Ehegattensplitting eine Umverteilung „von unten nach oben“?
Der Effekt des Ehegattensplittings ist dort am stärksten, wo die Einkommensunterschiede der Partner am größten sind. Deshalb wird mitunter eine Umverteilung von Steuergeldern an einkommensstarke Ehepaare kritisiert, die es sich „leisten“ können, dass ein Partner nicht erwerbstätig sein muss.
Horizontale Steuergerechtigkeit gilt für alle Einkommensgruppen gleichermaßen. Bei gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit muss gleich besteuert werden. Auch Alleinverdiener-Ehepaare mit hohem Einkommen haben Anspruch darauf, nicht gegenüber den Ehepaaren steuerlich benachteiligt zu sein, die das gleiche Gesamteinkommen intern in einem anderen Verhältnis erwirtschaften. Das Ehegattensplitting verhindert nur diese Benachteiligung.
Dem berechtigten Anliegen, mehr soziale Gerechtigkeit zu erreichen, kann im Steuerrecht durch eine andere Gestaltung des Steuertarifs Rechnung getragen werden. Denkbar ist zum Beispiel die Anhebung des Spitzensteuersatzes. Gutverdienende – auch gutverdienende Ehen – würden so stärker zum sozialen Ausgleich herangezogen, ohne das Prinzip horizontaler Steuergerechtigkeit zu verletzen.
11.) Lässt sich mit der Abschaffung des Ehegattensplittings nicht viel Geld für den Staatshaushalt einsparen?
Der Gesamteffekt des Ehegattensplittings beträgt rechnerisch etwa 20 Mrd. Euro pro Jahr. Allerdings sind Mehreinnahmen des Staates in dieser Größenordnung ausgeschlossen. Denn bei einer getrennten Veranlagung der Ehepartner bestünde in vielen Haushalten mit höheren Einkommen die Möglichkeit, Einkommensbestandteile auf den Partner mit geringerem Einkommen zu verlagern. Das betrifft insbesondere Einkünfte aus Vermietung, Verpachtung und Kapitalvermögen. Nicht wenige Paare würden die Wirkungen des Splittings durch individuelle Rechtsgestaltung selbst herbeiführen.
Zudem müsste den gegenseitigen Unterhaltspflichten in einer Ehe anderweitig steuerlich Rechnung getragen werden. Denn sie mindern das verfügbare Einkommen und damit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Ehepartner.
Nach Berechnungen des DIW für das Jahr 2003 ergeben sich nur 1,5 Mrd. Euro Mehreinnahmen für den Staat, wenn die verfassungsrechtlich unbedingt notwendige Berücksichtigung des gemeinsamen Existenzminimums der Ehepartner erfolgt und eine Schlechterstellung der Ehen gegenüber geschiedenen Paaren vermieden werden soll.[21]
Wenn überhaupt, würde allenfalls ein Bruchteil der Summe für das Ehegattensplitting an Einspareffekt verbleiben. Finanzierungsvorschläge, die die „Ausgaben“ für das Ehegattensplitting in andere Maßnahmen umwidmen wollen, sind als unseriös einzustufen.
12.) Ist das Splitting auf eingetragene Lebenspartner zu übertragen?
Im Jahr 2013 steht eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dieser Frage an. Die Richter haben zu beurteilen, wie die verfassungsrechtlichen Gebote, Gleiches nicht ohne sachlichen Grund ungleich zu behandeln, sowie Ungleiches nicht ohne sachlichen Grund gleich zu behandeln, im Hinblick auf das Splitting zu konkretisieren sind. Beim Familienzuschlag für Beamte, bei der Grunderwerbsteuer, im Bereich der Hinterbliebenenversorgung sowie bei der Erbschaftsteuer hat das Gericht entschieden, dass eingetragene Lebenspartner wie Eheleute zu behandeln sind.
Der Familienbund empfiehlt, die höchstrichterliche Entscheidung abzuwarten. Mehrere sensible Verfassungsnormen sind berührt. Eine autoritative Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts ist geeignet, in der emotional geführten Debatte zu nachhaltiger Rechtsklarheit und langfristigem Rechtsfrieden beizutragen.
Zugleich ist der Politik aufgetragen, intensiv darüber nachzudenken, wie die verbindliche wechselseitige Verantwortungsübernahme in unserer Gesellschaft auch jenseits einer bestimmten sexuellen Orientierung besser unterstützt werden kann. Die Stärkung von verbindlichen Verantwortungsgemeinschaften ist unerlässlich für den Zusammenhalt und für die Zukunftssicherung unserer Gesellschaft.
Das Ehegattensplitting ist und bleibt dabei die verfassungskonforme und sachgerechte Besteuerung der Erwerbs-, Wirtschafts- und Verbrauchsgemeinschaft Ehe.
Familienbund der Katholiken - Bundesgeschäftsstelle
Fachinformation[1]
4. Oktober 2012
[1] Verantwortlicher Referent beim Familienbund der Katholiken: Markus Faßhauer
[2] Staatliche Familienleistungen aus Sicht der Bürger: Kenntnis, Nutzung und Bewertung, Kurzfassung der Akzeptanzanalyse I, Institut für Demoskopie Allensbach, Basel/Berlin 2012
[3] siehe auch Reinhard Loos, Familiensplitting – die Zukunft?, Stimme der Familie, 4/2012
[4] Die Ehepaare können auf die Zusammenveranlagung (also auf die Anwendung des Splittings) verzichten und die Einzelveranlagung wählen; vgl. §§ 26 ff. Einkommensteuergesetz
[5] vgl. BVerfGE 61, 319, 345 ff.
[6] Die Leistungsfähigkeit bemisst sich grundsätzlich nach dem frei verfügbaren Einkommen.
[7] vgl. BVerfGE 105, 1, 11
[8] vgl. BVerfGE 99, 216, 231
[9] Ehen, die von diesem Leitbild abweichen, stellen nicht die Regel dar. Eine Typisierung am Maßstab einer intakten Durchschnittsehe ist sachgerecht. Das Steuerrecht bezieht sich regelmäßig auf typische Verhältnisse, um komplexe Lebenswirklichkeiten adäquat erfassen zu können.
[10] vgl. BVerfGE 61, 319, 345 f.
[11] § 1357 Bürgerliches Gesetzbuch
[12] vgl. http://www.buendnis-sockelrente.de/Broschuere_Rentenmodell_12-2007
[13] vgl. „Rahmenbedingungen für das Gelingen stabiler Partnerschaften in Ehe und Familie verbessern.“, Erklärung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, 2002
[14] Im Sozialrecht werden allerdings in einem Haushalt lebende nichteheliche Partner als Bedarfsgemeinschaft angesehen und einander zur Deckung des Lebensbedarfs herangezogen. Unterhaltsleistungen in nichtehelichen Lebensgemeinschaften werden jedoch als außergewöhnliche Belastung im Einkommensteuerrecht berücksichtigt; vgl. § 33a Einkommensteuergesetz
[15] Bei beiderseitigem Einkommen nimmt der Effekt des Ehegattensplittings jedoch deutlich ab. So reduziert sich z.B. der Splittingeffekt im Vergleich zu einer Alleinverdiener-Situation auf etwas mehr als ein Viertel, wenn der gering verdienende Partner ein Fünftel zum Gesamteinkommen beiträgt.
[16] Ähnlich wie der Steuervergütungsanteil des Kindergeldes anerkanntermaßen keine Familienförderung ist, ist das Ehegattensplitting als steuerlicher Nachteilsausgleich keine Eheförderung.
[17] DIW Wochenbericht 41/2011, S. 13 ff.; Die von den Autoren diskutierte reine Individualbesteuerung ist verfassungswidrig. Sie bildet die ehelichen Unterhaltsverpflichtungen nicht ab und setzt damit die Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip gänzlich außer Kraft. Zudem würden Ehen schlechter gestellt als geschiedene Paare.
[18] in diese Richtung auch „Dialog über Deutschlands Zukunft“, Ergebnisbericht des Expertendialogs der Bundeskanzlerin 2011/2012, Kurzversion S. 21, https://www.dialog-ueber-deutschland.de/DE/10-Dialog/dialog_node.html
[19] DIW, Wochenbericht 22/2003, S. 347
[20] Auf die zahlreichen Vorschläge für die Einführung eines Familiensplittings kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden.
[21] DIW, Wochenbericht 22/2003, S. 345 ff.