zum Referentenentwurf zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes vom 13. März 2008
I. Allgemeine Erwägungen
Der Familienbund der Katholiken bewertet den Entwurf für eine Reform des Kinderzuschlages als einen überfälligen allerdings nicht hinreichenden Schritt hin zu einer wirksameren Bekämpfung der Kinderarmut. Weit über zwei Millionen armutsgefährdete Kinder in Deutschland sind ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft. Die bisherige Ausgestaltung des Kinderzuschlages erweist sich vor diesem Hintergrund als erheblich zu kurz gegriffen. Sie hat lediglich 124.000 Kinder (2006) erreicht und stellt sich in der Praxis als verwaltungstechnisch höchst ineffizient dar. Eine durchschnittliche Bewilligungsquote von lediglich 12% (2005, 2006) ist Ausdruck für den geringen Erfolg des Kinderzuschlages in seiner bisherigen Form.
Die Absenkung der Mindesteinkommensgrenze unter Beibehaltung der bisherigen Einkommensgrenze als „Bemessungspunkt“ wird ebenso begrüßt wie die Absenkung der Degression von 70% auf 50%. Damit wird zum einen der Kreis der erreichten Kinder erweitert und zum anderen verhindert, dass innerhalb der Degressionszone das verfügbare Familieneinkommen mit steigendem Bruttoeinkommen gleich bleiben oder sogar sinken kann. Um der Zielsetzung des Instrumentes, einen wirksamen Beitrag zur Bekämpfung der Kinderarmut zu leisten, konsequenter gerecht zu werden, sind jedoch weitergehende Änderungen erforderlich. Dazu gehören der Wegfall sämtlicher Einkommensgrenzen, die Gewährung des Kinderzuschlages unterhalb des Bemessungspunktes mit einer Option auf SGBII Leistungen, die Anhebung der maximalen Leistungshöhe auf 150 € sowie eine Auszahlung von Amts wegen durch die Familienkasse.
Langfristig bleibt die Aufgabe, strukturelle Rahmenbedingungen in Deutschland so zu verändern, dass Kinder kein Armutsrisiko für Familien bedeuten. In diesem Zusammenhang wird die Weiterentwicklung des Kinderzuschlages als ein Zwischenschritt zur Schaffung einer eigenständigen Kindergrundsicherung angesehen.
II. Zu den Regelungen im Einzelnen
1. § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG n.F.
Der Familienbund begrüßt die Absenkung der Mindesteinkommensgrenze auf 900 Euro für Paare und 600 Euro für Alleinerziehende als einen wichtigen Schritt hin zu einer deutlichen Ausweitung des Korridors für eine Anspruchsberechtigung. Der Kreis der Berechtigten liegt nach der bisherigen Regelung lediglich bei 49.000 Personen, nur 124.000 Kinder werden erreicht, davon nur 40.500 Kinder mit laufenden Zahlungen (BT 16/4670, Zahlen für 2006). Den Berechnungen des BMFSFJ gemäß werden durch die Neuregelung rund 50.000 Berechtigte mit 120.000 Kindern zusätzlich erreicht.
Allerdings besteht die Gefahr, dass die mit der Festlegung der Absolutbeträge bezweckte Rechtsklarheit bei den Betroffenen nicht erzielt wird. Das Überschreiten der neuen Mindesteinkommensgrenze löst nämlich keine Anspruchsberechtigung aus, wenn nicht gemäß § 6a Abs. 1 Nr. 4 BKGG n.F. zugleich Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II vermieden wird. Das Risiko enttäuschter Hoffnungen bei den Betroffenen bleibt damit auch nach der neuen Rechtslage immanent.
Der Familienbund schlägt stattdessen die Abschaffung der Mindesteinkommensgrenzen vor bei gleichzeitigem Erhalt des Bemessungspunktes, der sich wie bisher am Mindestbedarf der Eltern orientiert. Unterhalb des Bemessungspunktes sollen Eltern die Wahl haben, ob sie Kinderzuschlag, Kindergeld und Wohngeld oder ergänzende Leistungen nach SGB II in Anspruch nehmen wollen. Über Vor- und Nachteile beider Wege sind Eltern im Vorfeld umfassend zu informieren. Dazu gehört auch eine überschlägige Berechnung der Ansprüche nach SGB II. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass rund 35% der Eltern den Kinderzuschlag sogar dann vorziehen würden, wenn dies etwas weniger Geld bedeuten würde als Leistungen nach SGB II (BT 16/4670). 48% der Eltern haben trotz Ablehnung des Kinderzuschlages aufgrund des Unterschreitens der Mindesteinkommensgrenze keinen Antrag auf ergänzende Leistungen nach dem SGB II gestellt (BT 16/4670).
2. § 6a Abs. 1 Nr. 3 BKGG n.F.
Kritisiert wird die Nichtabschaffung der Höchsteinkommensgrenze. Sie ist ursächlich dafür, dass der Korridor der Anspruchsberechtigung wesentlich zu eng gefasst ist. Eine Abschaffung würde im Ergebnis bedeuten, dass bis zu 500.000 armutsgefährdete Kinder vom Kinderzuschlag erreicht werden könnten.
Als kontraproduktiv erweist sich die Höchsteinkommensgrenze auch im Hinblick auf die mit dem Gesetz bezweckte Förderung von Erwerbsanreizen. Unter Zugrundelegung der geplanten Degression in Höhe von 50% gemäß § 6a Abs. 4 S. 6 BKGG n.F. bedeutet das Überschreiten dieser Grenze für eine Familie mit zwei Kindern einen Verlust von monatlich bis zu 140 Euro des verfügbaren Familieneinkommens.
3. § 6a Abs. 4 S. 6 BKGG n.F.
Der Familienbund begrüßt die Senkung der Degression von 70% auf 50%. Damit wird verhindert, dass im Zusammenspiel mit der Degressionsquote beim Wohngeld das verfügbare Familieneinkommen trotz steigendem Erwerbseinkommen sinken kann.
III. Weitere Vorschläge
Zusätzlich zu den geplanten Änderungen fordert der Familienbund eine Anhebung des maximalen Kinderzuschlages auf 150 Euro sowie eine Auszahlung der Leistung von Amts wegen durch die Familienkasse.
Zusammen mit dem Kindergeld in Höhe von 154 Euro soll der Kinderzuschlag als Instrument der Armutsvermeidung das sächliche Existenzminimum des Kindes sicherstellen. Dieses liegt derzeit bei 304 Euro monatlich. Die Differenz von 150 Euro ist durch einen Kinderzuschlag in entsprechender Maximalhöhe abzudecken.
Das derzeitige Antragsverfahren erweist sich als bürokratisch höchst ineffizient und intransparent. Vorgeschlagen wird deshalb eine Auszahlung der Leistung bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen von Amts wegen durch die Familienkasse. Die Familienkasse ist in die Lage zu versetzen, notwendige Informationen und Anhaltspunkte für eine Prüfung von den jeweiligen Behörden zu erhalten. Im Zusammenhang mit den bereits erläuterten Vorschlägen einer Abschaffung der Mindesteinkommensgrenzen hätte die Familienkasse die Betroffenen im Falle eines Unterschreitens des Bemessungspunktes über Möglichkeiten und Folgen eines ergänzenden Bezuges von Leistungen nach SGB II umfassend aufzuklären.
Für den Familienbund der Katholiken
Reinhard Loos
Markus Faßhauer
Berlin, den 16.03.2008