10.05.2022

Stellungnahme des Familienbundes der Katholiken zum Sofortzuschlag für Kinder

Familienleistung
Stellungnahmen
Mädchen macht Stapel von Münzen und steckt Geld in Sparschwein.

Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Regelung eines Sofortzuschlages für Kinder und einer Einmalzahlung an erwachsene Leistungsberechtigte der sozialen Mindestsicherungssysteme aus Anlass der COVID-19-Pandemie

Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages am 09. Mai 2022

Einleitung

Am 13.04. hat die Bundesregierung einen Entwurf eines Gesetzes zur Regelung eines Sofortzuschlages für Kinder und einer Einmalzahlung an erwachsene Leistungsberechtigte der sozialen Mindestsicherungssysteme aus Anlass der COVID 19-Pandemie (Sofortzuschlags- und Einmalzahlungsgesetz) vorgelegt. Dieser Entwurf wurde am 28. April in erster Lesung im Bundestag beraten. 

Die Fraktion DIE LINKE hat am 26.04. zwei Anträge zu diesem Gesetzentwurf eingebracht, die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90 / Die Grünen und FDP haben ebenfalls am 26.04. eine Formulierungshilfe für einen weiteren Änderungsantrag eingereicht, wobei diese Formulierungshilfe zusätzlich Änderungen in weiteren Themenfeldern vorsieht. Die folgende Stellungnahme berücksichtigt neben dem Gesetzentwurf die genannten Anträge, wenn auch in unterschiedlicher Gewichtung. 

Als Begründung für den Sofortzuschlag führt die Bundesregierung in ihrem Entwurf an, dass mit Blick auf die Situation von Kindern in einkommensarmen Haushalten bessere Chancen zur gesellschaftlichen Teilhabe und zur Teilhabe an guter Bildung notwendig sind. Diese Ziele sollen mit der geplanten Kindergrundsicherung erreicht werden. Bis zu deren Einführung soll ein Sofortzuschlag Kinder im SGB II- oder SGB XII-Bezug sowie Kinder, die Hilfen zum Lebensunterhalt beziehen oder den Kinderzuschlag erhalten, ergänzend unterstützen. 

Die geplante Einmalzahlung richtet sich an Erwachsene, in den Mindestsicherungssystemen.  Sie soll laut Gesetzentwurf die im Zuge der Pandemie entstandenen Mehrkosten, u.a. für Hygienebedarf, sowie die pandemiebedingte Inflation auffangen. Mittlerweile verschärfen sich die festgestellten Belastungen und Benachteiligungen durch die anhaltend steigende Inflationsrate vor allem im Zuge des Ukrainekrieges. Die vorliegenden Entwürfe und Anträge müssen daher auch vor diesem Hintergrund bewertet werden. 

Sofortzuschlag für Kinder

Der Familienbund begrüßt – trotz vieler offener Fragen hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung – grundsätzlich das übergeordnete Ziel, eine Kindergrundsicherung einzuführen. Insbesondere unterstützt er die mit dieser Idee verbundene Erhöhung des Leistungsniveaus, besonders für armutsgefährdete Kinder, sowie die angestrebte Bündelung von Einzelleistungen.

Da es bis zur Umsetzung einer komplexen Kindergrundsicherung noch Zeit braucht, hält der Familienbund die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene Einführung eines Sofortzuschlags grundsätzlich für eine hilfreiche Lösung, um bereits jetzt Kinder in einkommensschwachen Haushalten gezielt zu unterstützen.   

Die Begrenzung des Sofortzuschlags ausschließlich auf Kinder im Sozialleistungsbezug erscheint dem Familienbund jedoch als zu eng gefasst. Durch Kurzarbeit und Lohnausfälle wegen der Corona-Pandemie hat sich die finanzielle Situation von Familien auch jenseits der Einkommensgrenzen für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII oder dem Kinderzuschlag verschärft. Auf der anderen Seite trägt seit Monaten die Inflation zusätzlich dazu bei, auch die Ausgabenlast bei den Verbrauchsgütern, die gerade in Familienhaushalten einen Großteil der Kosten ausmachen, spürbar zu erhöhen. Viele Familien stehen daher seit der Pandemie nicht nur psychisch, sondern zunehmend auch finanziell an der Belastungsgrenze. Vor diesem Hintergrund wäre eine Ausweitung der Anspruchsberechtigten wünschenswert. Vorstellbar wäre dafür etwa eine Einkommensgrenze, die sich an der Armutsgrenze von 60 Prozent des Medianeinkommens orientiert. 

Vor diesem Hintergrund ist es positiv zu bewerten, dass die Erhöhung des Kinderzuschlags zu einer Ausweitung des Kreises der Begünstigten führt und damit anteilig zumindest einen kleinen Teil von Familien (12.000) auch außerhalb des Sozialleistungsbezugs erreicht. Bestehen bleibt jedoch das Dilemma, dass durch den gewählten Auszahlungsweg über den Kinderzuschlag eben diese Familien automatisch zu (möglichen) Leistungsempfängern werden, was psychologisch den gegenteiligen Effekt haben könnte, indem mit der finanziellen Stärkung eine gefühlte strukturelle Schwächung einhergeht. Hier liegt es auch in der Verantwortung von Politik, Medien und Verbänden, nach einer Erhöhung der Sozialleistungen diesen Effekt zu erklären und nicht wegen der gestiegenen Anzahl an Leistungsbeziehenden die gestiegene Armut zu beklagen.

Positiv zu bewerten ist, dass der Sofortzuschlag, wenn er einmal ausgezahlt wurde, nicht zurückgefordert werden soll, auch wenn die Voraussetzungen dafür nachträglich als nicht erfüllt angesehen werden müssen. Für die Familien ist das Geld damit sofort nutzbar. Der Hinweis zeigt jedoch, wie komplex die Bedarfsermittlung in diesen Systemen ist, was im Sinne der Familien und gegebenenfalls zur Entlastung der Verwaltung nach Möglichkeit verändert werden sollte. 

Der für den Sofortzuschlag vorgesehene Betrag von 20 Euro pro Monat ist für eine spürbare Verbesserung der Teilhabechancen, gerade bei den Kindern im Sozialleistungsbezug, allerdings deutlich zu knapp bemessen. Der Familienbund hat bereits an anderer Stelle darauf verwiesen, dass ein Sofortzuschlag in dieser Höhe unter den gegenwärtigen Umständen vollständig der Inflation zum Opfer fällt. Bei den Regelsätzen für Kinder entspricht der Sofortzuschlag in Höhe von 20 Euro einer Steigerung von 2,65 Prozent (Regelbedarfsstufe 4) bis maximal 7,02 Prozent (Regelbedarfsstufe 6). Die Inflationsrate betrug allerdings im April 2022 bereits 7,4 Prozent und ein Ende der Preissteigerungen ist angesichts des anhaltenden Krieges in der Ukraine sowie der nach wie vor pandemischen Weltlage nicht in Sicht. 

Einzig beim Kinderzuschlag liegt die Steigerung durch den Sofortzuschlag etwa zwei Prozentpunkte über der aktuellen Inflationsrate. Allerdings bleibt fraglich, ob durch diesen leichten Überhang tatsächlich die angestrebte zusätzliche Unterstützung für Kinder in relevantem Umfang erreicht werden kann. 

Auch wenn in der vorausgehenden ministerialen Debatte durchaus noch niedrigere Zahlen kursierten und der jetzt im Entwurf genannte Betrag am oberen Ende des Verhandlungsspektrums zwischen 10 und 25 Euro zu finden ist: angesichts der Zielrichtung, mit dem Sofortzuschlag die Teilhabechancen von Kindern aus einkommensschwachen Familien zu verbessern, sollte dringend noch einmal über die Höhe der Leistung nachgedacht werden.

Die Höhe von 20 Euro ist in keiner Weise schlüssig hergeleitet. Der Koalitionsvertrag formuliert zum Sofortzuschlag: „Bis zur tatsächlichen Einführung der Kindergrundsicherung werden wir von Armut betroffene Kinder, die Anspruch auf Leistungen gemäß SGB II, SGB XII oder Kinderzuschlag haben, mit einem Sofortzuschlag absichern.“ 

Die Erhöhung um 20 Euro lässt sich angesichts der Inflation jedoch weder als Absicherung, noch als Zwischenschritt auf dem Weg zu einer Kindergrundsicherung bezeichnen. Ausgangspunkt einer Herleitung der Höhe für den Sofortzuschlag müsste das Kinderexistenzminimum sein. Da das Abwarten einer dringend notwendigen Neuberechnung dem Gedanken eines Sofortzuschlages widerspricht, sollte auf vorliegende Berechnungen zurückgegriffen werden. Der 13. Existenzminimumbericht der Bundesregierung hat für das Jahr 2022 ein sächliches Existenzminimum in Höhe von 5.460 Euro berechnet. Dem entspricht ein monatliches Existenzminimum in Höhe von 455 Euro. Berücksichtigt man hierbei eine – angesichts der momentanen Entwicklung sehr vorsichtig prognostizierte – durchschnittliche Jahresinflation in Höhe von 5 Prozent[1], ergibt sich ein monatliches Existenzminimum in Höhe von 477,75 Euro. Der Familienbund hält es im Rahmen des Sofortzuschlages für richtig, wenn das Kindergeld und der Kinderzuschlag in der Summe zumindest diesen Betrag absichern würden. Da die Summe aus Kindergeld und Kinderzuschlag derzeit 428 Euro beträgt, bleibt eine Differenz von 49,75 Euro. Einen Sofortzuschlag in Höhe von 50 Euro hält der Familienbund daher bereits auf der Grundlage der vorliegenden Berechnungen für das Minimum einer Erhöhung, die für sich in Anspruch nehmen kann, den Koalitionsvertrag umzusetzen und Kinder abzusichern.

Berücksichtigt man die seit Jahren berechtigterweise von den Sozialverbänden, unter anderem auch der Caritas, vorgebrachte Kritik an der aktuellen Berechnung des Kinderexistenzminimums, ist auch der Antrag der LINKEN, den Kinder-Sofortzuschlag armutsfest auszugestalten (BT-Drs. 20/1504), gut vertretbar. Ein Sofortzuschlag von 100 Euro pro Monat wäre eine für die Kinder und ihre Familien deutlich spürbare Anhebung der existenzsichernden Leistungen, die zum einen mehr gesellschaftliche Teilhabe für Kinder und Jugendliche ermöglicht und zum anderen das von ihnen grundsätzlich benötigte Existenzminimum überhaupt erst realistisch abbildet. Ein Sofortzuschlag von 20 Euro kann die vorhandene Lücke zwischen realen Kosten und Regelsatzhöhe nicht schließen. Er stellt damit weder eine ausreichende und schon gar nicht eine „zusätzliche“ Unterstützung für Kinder im Sozialleistungsbezug dar. Es ist nicht zuletzt diese seit Einführung der Regelsätze vorhandene Lücke in der Existenzsicherung, die zu mangelnden Teilhabechancen und Ausgrenzung bis hin zum sozialen Rückzug der Kinder führt. Der Familienbund unterstützt daher den Antrag, den geplanten Sofortzuschlags auf 100 Euro pro Monat zu erhöhen. Auch eine rückwirkende Gewährung des Zuschlags ab Januar 2022  ist aus Sicht des Familienbundes eine Überlegung wert. Dass die Leistung mit so wenig bürokratischem Aufwand wie möglich gewährt wird, sollte im Grunde zur Entlastung der Familien, gerade jener mit mehreren Kindern, eine Selbstverständlichkeit sein.

Einmalzahlung für Erwachsene in den Mindestsicherungssystemen

Die im Regierungsentwurf vorgesehene Einmalzahlung soll der Abfederung zusätzlicher bzw. gestiegener Kosten während der Pandemie dienen. Der Familienbund unterstützt ausdrücklich den Gedanken, Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst decken können und daher Leistungen nach SGB II oder SGB XII beziehen, mit Blick auf zusätzliche Aufwendungen und gestiegene Preise zu unterstützen. Die Mehrkosten durch die Pandemie und deren wirtschaftliche Folgen sind in den aktuellen Regelsätzen nicht abgebildet. Da es sich bei SGB II und SGB XII per definitionem um existenzsichernde Leistungen handelt, sind „Einsparungen“ in anderen Bereichen zur Gegenfinanzierung in der Regel nicht möglich. 

Die im Regierungsentwurf vorgeschlagene Einmalzahlung wird aus Sicht des Familienbundes dem Problem jedoch nur teilweise gerecht. Sie stellt zwar eine Entlastung für die Menschen in den Mindestsicherungssystemen dar, die am stärksten von Zusatzkosten und gestiegenen Preise betroffen sind. Die Einmalzahlung erscheint dem Familienbund aber angesichts der gegenwärtigen Situation sowohl vom Prinzip als auch in der Höhe als unangemessen. Zum einen ist die Pandemie noch nicht vorbei, einige der Mehraufwendungen im Zuge der Pandemie bestehen also nach wie vor und verursachen weiter Kosten. Erwähnt sei hier analog zur Gesetzesbegründung die anhaltende Notwendigkeit von FFP2-Masken etwa in Bussen und Bahnen für alle, einschließlich Kindern ab 6 Jahren. Zum anderen hat sich die pandemiebedingte Inflation durch den Krieg in der Ukraine verschärft. Es ist zudem zu befürchten, dass die Inflation über einen langen Zeitraum anhalten wird.

Eine Sonderzahlung kann daher lediglich eine Überbrückungsmaßnahme sein, der weitere Schritte folgen müssen. Aus Sicht des Familienbundes erfordert die Lage eine zeitnahe Neuberechnung des Existenzminimums und in dessen Folge eine Anpassung der Regelbedarfe. Berechnungen der Sozialverbände, unter anderem der Caritas, haben bereits vor Jahren gezeigt, dass die Regelsätze in ihrer jetzigen Gestaltung unterhalb des eigentlichen Bedarfs bleiben. Selbst bei sehr sparsamer Berechnung betrug die ermittelte Lücke zum Existenzminimum bereits damals ca. 80 Euro. 

Als Übergang und mit Blick sowohl auf die Inflation als auch auf fortbestehende Mehraufwendungen im Zuge der Pandemie (die sich im kommenden Herbst eventuell weiter erhöhen) geht der Vorschlag in der Formulierungshilfe von SPD, BÜNDNIS 90 / Die Grünen und FDP, die Einmalzahlung auf 200 Euro zu erhöhen, in die richtige Richtung, ist aber noch keine Lösung des Problems. Nötig wäre vielmehr eine sachgerechte und nachhaltige Anpassung der Regelbedarfe insgesamt. 

Existenzminimum neu und realitätsgerecht berechnen 

Angesichts der zuvor formulierten Feststellungen erneuert der Familienbund seine Forderung nach einer realistischen Neuberechnung des Existenzminimums im Sozialrecht. Mit Blick auf die Pandemiefolgen und die Auswirkungen des Ukrainekrieges müssen sich diese gesamtgesellschaftlich gestiegenen Kosten auch in der grundlegenden Festsetzung der Regelbedarfe nach SGB II und SGB XII wiederfinden. Sonderzahlungen sind keine nachhaltigen Antworten auf diese Entwicklungen sondern können nur erste Überbrückungsmaßnahmen sein.   

Der Familienbund unterstützt daher den Antrag der LINKEN, die im Regierungsentwurf vorgesehenen Sonderzahlungen durch eine ehrliche, transparente und sachgerechte Berechnung der Regelbedarfe im Sozialrecht zu ergänzen (BT-Drs. 20/1502).

Bei der Neuberechnung darf es keinesfalls darum gehen, das Existenzminimum herunterzurechnen, um steigende Sozialausgaben zu vermeiden. Die Ermittlung der Regelbedarfe für Grundsicherungsleistungen muss einheitlich, transparent, methodisch konsistent, sach- und realitätsgerecht erfolgen und umgesetzt werden. Die Praxis nachträglicher Abschläge und die Einbeziehung ebenfalls armutsgefährdeter Haushalte in die Bedarfsermittlung konterkarieren das gewählte Statistikmodell und müssen beendet werden. Zugleich ist zu prüfen, ob die Regelbedarfe tatsächlich noch alle relevanten Lebenshaltungskosten beinhalten, immerhin hat sich seit ihrer Einführung im Jahr 2005 doch einiges verändert. Als Beispiel seien hier digitale Zugänge und Geräte genannt. Welche entscheidende Rolle digitale und technische Möglichkeiten gerade bei der sozialen Teilhabe und der Bildungsgerechtigkeit spielen, hat zuletzt sehr klar die Pandemie gezeigt: Wer keine Druckmöglichkeit, kein Internet oder nicht ausreichend geeignete Endgeräte verfügbar hatte, war und ist beim Kontakt mit der Schule und den Mitschüler:innen abgehängt. 

Bei der Neugestaltung der Ermittlung der Regelbedarfe muss auch die Finanzierung besonderer einmaliger Ausgaben wie sogenannte „Weißwaren“ und unverzichtbare gesundheitliche Hilfsmittel wie Brillen oder Gehhilfen, im Interesse der Betroffenen geklärt werden. Es ist weder im Sinne der Teilhabe noch der Solidarität, wesentliche Bedarfe, die mit den geltenden Regelsätzen erst in Jahrzehnten selbst erwirtschaftet werden können, ungedeckt zu lassen.

Der Familienbund weist darauf hin, dass jegliche Sonderzahlungen lediglich als Überbrückungsmaßnahmen anzusehen sind bis zur Neuberechnung des Regelbedarfe. Erst dieser Schritt ist aus seiner Sicht eine nachhaltige Antwort auf die zu bewältigenden Pandemiekosten und die anhaltende Inflation. 

Weiterer Handlungsbedarf angesichts steigender Inflation

Um angesichts der nach wie vor angespannten, wirtschaftlichen Situation bei anhaltender Inflation Armut und die Angewiesenheit auf (ergänzende) Sozialleistungen zu vermeiden, schlägt der Familienbund weitere Maßnahmen vor.

Reform bei den Sozialbeiträgen: Im aktuellen Beitragssystem zahlen alle Erwerbstätigen auf gleiches Einkommen die gleichen Beiträge – unabhängig davon, ob parallel dazu auch Kinder zu versorgen sind. Familien im unteren und mittleren Einkommensbereich, vor allem mit mehreren Kindern, werden damit finanziell über Gebühr belastet, wie der eben veröffentlichte Horizontale Vergleich 2022 eindrücklich zeigt. Zum Teil soweit, dass sie in der Folge auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen sind. Dies gilt umso mehr angesichts der durch Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit vielfach gesunkenen Einkommen bei gleichzeitig steigender Inflation. Der Familienbund schlägt daher vor, auch bei den Sozialbeiträgen einen Kinderfreibetrag abzuziehen, damit den Familien mehr frei verfügbares Einkommen bleibt und die Inflationsfolgen gemindert werden. Ein solcher Freibetrag würde auch die erheblichen Leistungen berücksichtigen, die Familien für den Generationenvertrag bzw. die Umlagefinanzierung im Rahmen der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung erbringen. 

Kalte Progression beseitigen: Die sogenannte kalte Progression führt vor allem bei unteren und mittleren Einkommen in Verbindung mit der aktuell hohen Inflation zu einer relativ höheren Belastung durch die Einkommenssteuer. Der Familienbund plädiert daher für die Einführung eines „Tarif auf Rädern“ als Ausdruck der Steuergerechtigkeit. Lohnerhöhungen, die nur die Inflation ausgleichen und die Kaufkraft nicht steigern, dürfen nicht zu einer höheren Steuerbelastung führen. Daher ist aus seiner Sicht eine automatische Anpassung des Einkommenssteuertarifs an die Inflation erforderlich. 

Schlussbemerkung

Insgesamt fordert der Familienbund den Bundestag auf, die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemiefolgen und zur Armutsvermeidung mit Blick auf die anhaltende Inflation vor allem daraufhin zu prüfen, inwiefern es sich um zielgerichtete, nachhaltige Lösungen handelt. 

Kurzfristige, einmalige Aktionen können höchstens als Übergangslösungen dienen. Das Ziel muss jedoch eine echte und anhaltende Entlastungswirkung sein. Die im Gesetzesentwurf der Bundesregierung bisher vorgeschlagenen Maßnahmen erfüllen diese Anforderung, nach Meinung des Familienbundes, bisher nicht ausreichend. 

 


[1] für einen Überblick über aktuelle Schätzungen zur Inflationsentwicklung vgl. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunktur/inflation-prognosen-101.html.

Berlin, Mai 2022
Familienbund der Katholiken

Stellungnahme als pdf zum Download

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